Im 13. Jahrhundert lieferte der Gurten Wein in die Stadt, im 14. Wasser, im 19. folgte das Bier. Im Jahre 1862 kaufte der Bauernsohn Johann Juker das Steingruben-Anwesen am Gurten oberhalb des Dörfchens Wabern mit der festen Idee, an diesem Ort eine Brauerei zu erbauen. Das rund 75 000 m2 grosse Grundstück hatte damals einen amtlichen Wert von 14 780 Fr. Das zum grossen Teil aus Sandstein bestehende Areal eignete sich zum einen sehr gut zur Einrichtung der nötigen Lagerkeller, die bis zum Aufkommen der Kühlmaschine ausschliesslich mit Natureis gekühlt werden mussten, zum anderen versprach es durch die Projektierung der Gürbetalbahn gut erschlossen zu werden.
Als erst 24-Jähriger erhielt Juker, der das Handwerk der Bierbraukunst in München erlernt hatte, 1863 schliesslich die Bau- und Einrichtungsbewilligung für seine Brauerei. Bereits ein Jahr später konnte das erste «flüssige Gold» ausgeliefert werden.
Somit kam das erste grosse Industrieunternehmen nach Wabern, und die Brauerei Juker (so der ursprüngliche Name der Brauerei) sollte schon bald einen bedeutenden wirtschaftlichen Faktor für die Region darstellen. Das junge Unternehmen machte sich im Dorf aber auch kulturell bemerkbar, indem es die Dorfwirtschaft zur Brauereiwirtschaft ausbaute und ihr einen grossen Theatersaal anfügte.
Durch mancherlei technische Neuerungen und einen stetigen Ausbau der Infrastruktur konnte sich die Gurtenbrauerei in den folgenden Jahren auf dem hart umkämpften Schweizer Biermarkt bewähren. Sie steigerte ihren Bierabsatz in den Jahren vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges kontinuierlich und erreichte 1914 einen Ausstoss von knapp 50 000 Hektolitern. Die Kriegsjahre und die damit verbundene Knappheit der Ressourcen warfen das Unternehmen jedoch zurück. Der Betrieb musste sich während dieser Zeit durch das Dörren von Obst und Kartoffeln sowie durch eine gross angelegte Schweinezucht am Leben erhalten.
Trotz weiterer Rückschläge in den kommenden Jahrzehnten konnte die Gurtenbrauerei ihre Produktionskapazität stetig steigern. 1952 wurden bereits 90 000 Hektoliter gebraut, 1963 waren es deren 161 000, und zu Beginn der 70er Jahre wurde schliesslich die 200 000-Hektoliter-Grenze überschritten.
Im Jahre 1970 wurde die Gurtenbrauerei von der Brauerei Feldschlösschen übernommen. Die Produktion am Fusse des Gurten wurde noch 26 Jahre weitergeführt, im Jahre 1996 aber nach Fribourg verlegt.
Doch auch nach der Schliessung der Brauerei in Wabern blieb die Marke «Gurten Bier» bestehen und so kann man heute noch durch den Genuss dieses speziellen Bieres an das Werk des Pioniers Johann Juker erinnert werden.
Jede Vision beginnt da, wo die Vergangenheit Grundstein für die Zukunft wird. Auf diesem Areal entstand während über hundert Jahren der Lieblingshopfensaft der Berner. Doch bevor nun Raum für Neues geschaffen wird, laden wir Sie ein, noch einmal einen Blick auf die lange Tradition des Gurten Brauerei Areals zu werfen. Sechzehn Tafeln führen Sie durch das einstige Innenleben der Gurtenbrauerei, vom Sudhaus zum Gärkeller bis hin zur Spenglerei.
Legende
1 Sudhaus
2 Treberausgabe
3 Hefereinzucht
4 Gärkeller (Unter den Gebäuden 1/2/3/12)
5 Lagerkeller (Untergeschoss)
6 Bierfilter
7 Vakuumanlage
8 Fassfüllerei
9 Fasswaschmaschine
10 Flaschenabfüllerei
11 Ladebetrieb
12 Laboratorium
13 Autopark
14 Autoreparaturwerkstatt
15 Schlosserei
16 Werkstätte
Das Sudhaus war der Ausgangspunkt für die Entstehung des Gurtenbiers. In enormen Kupfergefässen, welche als Maisch- und Läuterbottiche sowie Maisch- und Hopfenpfannen dienten, entstand aus Malzstärke Malzzuckerlösung. Nach der Kühlung dieses Suds im Plattenapparat wurde der Flüssigkeit im Gärkeller spezielle Bierhefe zugefügt, damit sie sich in Alkohol, Kohlensäure und unvergärbares Restextrakt zerlegte. Ein Prozess, der insgesamt zehn Stunden dauerte. Mitte der 60er Jahre, in der Blütezeit der Gurtenbrauerei, betrug die Tageskapazität 6 Sude zu 220 hl, also 1320 hl (für Statistiker: Das sind 132 000 l oder rund 400 000 Becher).
Beim Trebersilo vor dem Sudhaus fuhren täglich ein gutes Dutzend,mit
Traktoren oder Pferden bespannte landwirtschaftliche Fahrzeuge vor; sie
holten die Malztreber, ein qualitativ hochwertiges pflanzliches
Nebenprodukt der Bierherstellung und von den Landwirten geschätztes
Viehfuttermittel ab.
Für die Vergärung der Bierwürze braucht es spezielle Hefe. Diese wurde
mit grosser Sorgfalt unter sterilen Bedingungen in der Hefereinzucht
kultiviert – denn für das Gurtenbier waren nur die hochwertigsten
Zutaten gut genug. Mit der hauseigenen Hefe sollten qualitative
Schwankungen beim Gärprozess ausgeschlossen werden.
Im Gärkeller entwickelte das Bier seinen «Geist». Der Prozess ist seit jeher derselbe geblieben: Dank der Hefe entstehen aus dem Malzzucker Alkohol und Kohlensäure. Dabei bildet sich eine Schaumdecke aus Eiweiss und Hopfenharz.
Die Gärung war und ist eine äusserst wichtige Phase für jeden Bierbrauer. Denn ihr Verlauf hat grossen Einfluss auf die spätere Qualität des Bieres. Im Gärkeller entscheidet sich, wie sich die Geschmacksaromen der einzelnen Biertypen entwickeln. Neben den Hefesorten spielen auch Zeit und Temperatur eine wichtige Rolle.
Im Lagerkeller betrug die Temperatur während des ganzen Jahres etwa 1° C . Hier machte das Bier während ungefähr 12 Wochen eine Reifung und Klärung durch; dabei sättigte es sich mit natürlicher Gärungskohlensäure. Die Gurtenbrauerei verfügte Mitte der 60er Jahre über eine Lagerkapazität von 75000 hl, die Gewähr leistete, dass auch während des stärksten Sommerbetriebes stets ausgereiftes Gurtenbier zum Ausschank gelangte.
Im Erdgeschoss über den Lagerkellern befanden sich die Filteranlagen. Mit diesen wurde das natürlich trübe Bier klarfiltriert, bevor es in Fässer, Flaschen oder Dosen abgefüllt wurde.
In dieser Anlage wurde fertigem, normalem Bier der Alkohol entzogen; so entstand das beliebte alkoholfreie Bier «Ex!», welches 1937 auf den Schweizer Markt kam.
Das filtrierte Bier wurde in Zwischentanks gelagert (links auf dem Bild) und in der Fassfüllerei in Fässer abgefüllt. Die Gegendruck-Fassabfüllanlage der Gurtenbrauerei erreichte eine Stundenleistung von zirka 50 hl. Bei dieser Methode wurde zuerst sterile Luft mit einem Druck von zirka 0,8 atü in das Fass gepumpt. Danach füllte sich das Fass dank des Gegendrucks mit Bier – ohne jegliche Schaumentwicklung. Durch ein Schauglas kontrollierte der Abfüller jederzeit den Stand. War das Fass voll, wurde es mit einer Spundschraube verschlossen. Als Dichtung kam zwischen Schraube und Fass noch ein Spundlappen, dessen Farbe zugleich die Biersorte kennzeichnete.
Die Fässer der Gurtenbrauerei wurden nach jedem Gebrauch auf einer leistungsfähigen Waschmaschine innen und aussen gereinigt. Das geringe Gewicht der Aluminiumbehälter (gegenüber den früheren schweren Holzfässern) erleichterte den Arbeitsprozess enorm.
Die Gurtenbrauerei verfügte über drei Flaschenabfüllanlagen. Zuerst
wurden die Flaschen sorgfältig gereinigt, danach von einem Ausleuchter
genau kontrolliert und zuletzt unter Kohlensäuregegendruck gefüllt.
Mitte der 60er Jahre verarbeitete jedeAnlage pro Stunde 8000 Flaschen –
das waren über 200 000 Flaschen pro Tag.
An der Rampe wurde das Flaschenbier mit Hubrollen auf die Lastwagen der
Gurtenbrauerei geladen. Praktisch für das Fahrpersonal: Die Dächer der
Lastwagen liessen sich auf der Ladeseite mit Druckluft anheben.
Abseits vom geschäftigen Tagesbetrieb befanden sich die Räume der
Betriebskontrolleure. In den Laboratorien untersuchten und ermittelten
sie laufend die Qualität der verwendeten Rohwaren sowie das werdende und
fertige Bier.
Mit diesem stattlichen Autopark von Last- und Lieferwagen wurde das
Gurtenbier in die Depots und an die weitverzweigte Kundschaft geliefert.
Die Personenwagen wurden von den Mitarbeitern im Aussendienst benützt.
Eine hauseigene Autoreparaturwerkstatt sorgte dafür, dass die
umfangreiche Flotte aus Last- und Personenwagen stets in fahrtüchtigem
Zustand gehalten wurde.
Ein Betrieb wie die Gurtenbrauerei verfügte über die verschiedensten
maschinellen Anlagen. In der Schlosserei wurden kleine und grössere
Probleme behoben und alle Anlagen fachmännisch unterhalten.
Bei den Kunden der Gurtenbrauerei befanden sich rund 600 Buffets und
ebenso viele Flaschenkasten, welche der Brauerei gehörten und leihweise
zur Verfügung gestellt wurden. Diese Einrichtungen wurden in den
betriebsinternen Werkstätten hergestellt und laufend unterhalten.